Wie ist im Moment die Lage in Rom? Dazu bin ich interviewt worden von dem Vatikanjournalisten Mario Galgano
Die Ewige Stadt füllt sich wieder mit Touristen und Pilgern. Zwar sind die meisten Hotels weiterhin geschlossen, doch Sehenswürdigkeiten und Kirchen werden wieder rege besucht. Das gibt dem Gewerbe Auftrieb. Wer in der Kultur- und Tourismusbranche arbeitet, hat es dennoch schwer, erklärt die deutsche Stadtführerin Kerstin Thiel-Lunghini im Interview.
Frau Thiel-Lunghini, wer sonntags das Mittagsgebet mit dem Papst mitverfolgt, bemerkt, dass sich auf dem Petersplatz wieder Menschen versammeln. Auch die Museen in Rom sind wieder geöffnet. Kehrt im Tourismus wieder so etwas wie „Normalität“ ein?
Es herrschen noch nicht wieder „normale“ Zustände, was die Anzahl der Besucher in Rom betrifft. Aber gerade das wird bei Gästen, die von Rom-Sehnsucht getrieben sind, als Chance begriffen. Frei nach dem Motto: Rom ohne Menschenmassen – das will ich sehen! Im heißen August wurde die Stadt noch überwiegend von Italienern besucht, aber ab September, wenn die Sommerhitze etwas nachlässt, haben sich auch wieder Gäste aus Deutschland, Österreich und der Schweiz angemeldet, auf die ich mich sehr freue. Was der Stadt natürlich fehlt, ist der gesamte internationale Tourismus der ganz großen Zahlen: Nord- und Südamerika, Asien, Russland und Australien.
Sind Stadtführungen wieder möglich?
Ja, wir dürfen wieder mit Einzelreisenden arbeiten, mit Familien oder in kleinen Gruppen – selbstverständlich unter Beachtung der vorgegebenen Hygienekonzepte.
Wie gehen die Römer inzwischen mit der Corona-Pandemie um? Sind sie verängstigt oder ist der Alltag wieder so wie früher?
Für niemanden ist der Alltag wie früher – auch für die Römer nicht. Aber ich habe das Gefühl, dass die große antike Erzählung, die hier noch in der Schule gelesen wird, den Menschen dabei geholfen hat, die neuen Regeln von Abstand und Hygiene zu akzeptieren. Etwa um ihre Eltern und Großeltern zu schützen. Man darf nicht vergessen, dass der Held Aeneas bei seiner Flucht aus dem brennenden Troja anstatt irgendwelcher Goldschätze lieber seinen greisen Vater schultert und mitnimmt. Am Ende landet er
an der Küste Latiums und gilt als Stammvater der Römer. #Siamo- Enea (#WirsindAeneas) war einer der vielgeposteten Slogans hier in Rom.
Kann man alle Sehenswürdigkeiten in der Stadt wieder anschauen oder gibt es doch noch etliche Einschränkungen?
Eigentlich kann man bis auf ganz wenige Ausnahmen wieder alles anschauen. Einschränkungen gibt es trotzdem: Um die Abstandsregeln einhalten zu können, soll es nirgendwo mehr überfüllt sein. Deshalb sind die Eintrittskarten für die Sehenswürdigkeiten stark kontingentiert und müssen vorab gebucht werden.
Unterstützt der italienische Staat die Stadtführer weiterhin wie zu Anfang des Lockdowns?
Ja, wir hoffen sehr, dass es im Herbst nochmal eine kleine Unterstützung für uns und die anderen im Tourismus tätigen Menschen geben wird. Viele hatten in diesem Jahr noch überhaupt keine Einkünfte.
Wie geht es mit dem Tourismus in Rom weiter? Welche Hoffnungen haben Sie?
Ich vertraue darauf, dass Menschen reisen möchten und ganz großer Kunst unbedingt im Original gegenüberstehen wollen – nicht nur online! Es wird vermutlich in Zukunft weniger gereist werden können, weil nur die großen Zahlen preiswerte Reisen ermöglicht haben – unter Inkaufnahme aller negativen Aspekte dieser Art von Massentourismus. Ich hoffe auf Gäste in Rom, die vielleicht weniger oft reisen werden, aber dafür intensiver. Gäste, die bereit sind, der wunderbaren Stadt die Zeit zuzugestehen, die es braucht um Rom in aller Ruhe zu besichtigen und zu genießen. So zumindest stelle ich mir einen entschleunigten Tourismus in der Zukunft vor.
Interview: Mario Galgan